Weimarer Kinderbibel

Das Buch der Bücher – aus der Sicht von Kindern

Die »Weimarer Kinderbibel« ist ein interdisziplinäres, interkonfessionelles und generationenverbindendes Bildungsprojekt, initiiert und begleitet von der Literaturwissenschaftlerin Dr. Annette Seemann. Es wendet sich an Schülerinnen und Schüler aller Schultypen zwischen Jahrgang 4 und 7 in Weimar, aber auch in anderen Orten Thüringens und ist inzwischen über die Bundeslandgrenzen hinausgegangen: Die Weimarer Kinderbibel – geschrieben und gestaltet von Kindern.

In der Reformationsdekade schauen wir 500 Jahre zurück auf die Zeit, als Martin Luther durch unser Land reiste, predigte und dem Volk »aufs Maul« schaute, wie er sagte. Auf der Wartburg hat er die Bibel in eine einheitliche deutsche Volkssprache übersetzt, die es zuvor nicht gab. Sein Wirken ist eng mit der Regional- und Kulturgeschichte Thüringens verwoben. Es war eine faszinierende Zeit. Ähnlich wie heute fand ein großer Medienwandel statt. Damals war der Buchdruck die revolutionäre Erfindung. Luther machte sich ihn zu nutze.

Das Projekt umfasst Unterrichtseinheiten in den Fächern Deutsch, Geschichte, Ethik, Religion und Kunst. Die beteiligten Kinder tauchen jeweils in die Zeit um 1500 ein. Sie erfahren, wie man damals lernte, aß und sich kleidete. Und sie lernen den traditionellen Buchdruck kennen, der heute zu den ausgestorbenen Handwerken gehört. Sie hören, wie Martin Luthers Reformation die Welt veränderte, lernen sein Leben kennen und sein Werk – die Bibel. Viele der teilnehmenden Kinder hören zum ersten Mal von alledem, viele betreten auf den Exkursionen zum ersten Mal in ihrem Leben eine Kirche.

Seit 2011 haben schon über 250 Kinder aus Weimar, Erfurt und Eisenach begeistert und kreativ an dem Projekt »Weimarer Kinderbibel« teilgenommen. Sie besuchten die Wartburg in Eisenach und in Erfurt das Augustinerkloster und die Georgenburse.

Anschließend hörten sie zumeist drei biblische Geschichten. Sie werden erzählt von Katecheten, Pastorinnen und Pfarrern verschiedener Konfessionen, Journalisten und Schauspielern, die zu ihnen in die Schulen kommen. Alle haben eine Beziehung zur Bibel und können gut erzählen.

Danach begann der Aneignungsprozess der Kinder und sie konnten endlich selbst aktiv und kreativ werden. Denn »Weimarer Kinderbibel« heißt nicht, dass Erwachsene den Kindern eine neue kindgerechte Bibel vorsetzen, sondern genau umgekehrt: Die Kinder schreiben ihre Bibel-Geschichte auf, so wie sie sie verstanden haben oder wie sie sich die Geschichte vorstellen. Ohne inhaltliche Eingriffe der Pädagogen. Das ist immer aufschlussreich und manchmal sehr berührend. Kinder, die erst seit kurzem schreiben konnten, interpretierten die Arche Noah. Und Kinder, die vor kurzem noch nicht wussten, was ein Psalm ist, schreiben einen eigenen. Sie sind bei der Speisung der 5000 dabei und erleben das Wunder der vielen Reste von sehr wenigen Broten und Fischen.

Eine besondere Herausforderung ist die dritte Stufe des Projekts: die Übersetzung der geschriebenen Worte in eine bildnerische Arbeit. Unter Anleitung von Studierenden der Fakultät Gestaltung der Bauhaus-Universität Weimar erkunden die Kinder in jedem Jahrgang ein anderes Medium. Im ersten Jahrgang 2011/12 war das die Kalligrafie, im zweiten waren es Drucktechniken, im dritten die experimentelle Malerei und im vierten Collage- und Assemblage-Techniken. 2016 und 2017 folgten die Fotografie und die Computergrafik.

Die Weimarer Kinderbibel ist ein nachhaltig wirkender Prozess, der allen am Projekt Beteiligten – den Kindern aber auch den etwa 60 eingebundenen erwachsenen Partnern wie Lehrerinnen und Lehrern, Geschichtenerzählern, sowie Studierenden und Lehrenden der Bauhaus-Universität Weimar – sehr viele bleibende Erfahrungen und Kompetenzen vermittelt. Aber es bleiben auch die Arbeiten der Kinder, die wir in Auswahl zu dieser Ausstellung vereinigt haben. Neben den gestalterischen Arbeiten und Texten gehören dazu Filme, die den Entstehungsprozess widerspiegeln, Tagebücher von einer Klasse, die ihre Erlebnisse chronologisch genau dokumentiert hat, Gestaltungsmaterialien, eine umfassende Fotodokumentation und vieles mehr.

Und schließlich bleibt sie, die »Weimarer Kinderbibel« – geschrieben und gestaltet von Kindern. Mit immer anderen bildkünstlerischen Umsetzungen und mit immer wieder neuen Geschichten. Die Bibel bleibt eine unendliche Geschichte. Bis zum Ende der Reformationsdekade 2017 enstanden sechs Bände der »Weimarer Kinderbibel«.

Seit 2011 gibt es die »Weimarer Kinderbibel« bereits. Unsere Internetseite und persönliche Kontakte vermochten das Projekt auch über die Grenzen Weimars und Thüringens zu bringen – so haben wir kooperierende Schulen in wichtigen Lutherorten wie Erfurt, Eisenach und Worms. Auch in Herisau in der Schweiz konnte sich eine überkonfessionelle Projektgruppe anlässlich der dort gezeigten Bibelausstellung einige Aspekte des Projekts aneignen. Das Pädagogisch Theologische Institut der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland organisierte in Anlehnung an das Projekt in Neudietendorf einen Workshop für Religions- und Ethiklehrerinnen und -lehrer. Schließlich wurde es in Vorbereitung des Kirchentags in Berlin aus Anlass des Reformationsjubiläums im Jahr 2017 dort an mehreren Schulen im Schuljahr 2016/17 umgesetzt. Unser Anliegen kommt nicht nur bei Schülerinnen und Schülern, sondern auch bei Lehrerinnen und Lehrern sowie den Eltern sehr gut an. So gut, dass uns immer wieder Anfragen erreichen, unter welchen Bedingungen das Projekt in eigener Regie nachgeahmt werden kann.

Dr. Annette Seemann
für die Projektleiterinnen der Weimarer Kinderbibel
und die Literarische Gesellschaft Thüringen e. V.
________________________________________________________________

Unsere Förderer, Partner und Unterstützer waren bisher:

•    Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Bundesministerium für Bildung und Forschung
•    Thüringer Staatskanzlei (ehemals Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur)
•    Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, Mitteldeutsche Bibelwerk, Thüringer Stiftung BibelLese, Evangelische Kirchgemeinde Weimar,
•    Thüringer Aufbaubank, Evangelische Bank Eisenach, Sparkasse Mittelthüringen,
•    Thüringer Ehrenamtsstiftung, Stadt Weimar, arcona Hilfsfonds e.V.,
•    Geschäftsstelle Luther 2017, Deutsche Bibelgesellschaft,
•    Bauhaus-Universität Weimar, Literarische Gesellschaft Thüringen e.V., Klassik Stiftung Weimar, Evangelische Akademie Thüringen, Landesvereinigung für Kulturelle Jugendbildung Thüringen e.V., Russisch orthodoxe Kirche Weimar, Druckhaus Gera, werkraum.media
•    THILLM – Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, Staatliches Schulamt Mittelthüringen, Thüringenkolleg Weimar – Institut zur Erlangung der Hochschulreife
•    Privatspender wie Prinzessin Dagmar von Sachsen-Weimar-Eisenach und ihr Freundeskreis
__________________________________________________________________

Ausstellungen in:

•    Kinder- Jugend- und Familienkirche im Kirchenkreis Weimar (2012)
•    Eckermann-Buchhandlung Weimar (2013, 2014, 2016)
•    Stadtbücherei Weimar (2013, 2015, 2016, 2017)
•    Thüringer Aufbaubank (2014, 113 Exponate)
•    Evangelische Akademie Thüringen, Neudietendorf (2015, 88 Exponate)
•    Gutenbergzentrum Herisau/Schweiz (2015)
•    Wartburg Eisenach (2015, ca. 130 Exponate)
•    Jugend- und Kulturzentrum Weimar mon ami (2017 im Rahmen vom »Kirchentag auf dem Weg)«
•    Wittenberg (2017 im Rahmen der Weltausstellung der Reformation)
__________________________________________________________________

Beteiligte Schulen:

Weimar:
•   Friedrich-Schiller-Gymnasium (1., 2. und 5. Jahrgang)
•   Regionales Förderzentrum Herderschule (1., 3. bis 6. Jahrgang)
•   Staatliche Regelschule »Johann Heinrich Pestalozzi« (1. bis 6. Jahrgang)
•   Staatliche Gemeinschaftsschule (2. Jahrgang)
•   Johannes-Landenberger-Förderschule (2. bis 4. Jahrgang)
•   Humboldtgymnasium (2. Jahrgang)

Erfurt: Evangelisches Ratsgymnasium (3. und 5. Jahrgang)
Eisenach: Martin-Luther-Gymnasium (4. und 6. Jahrgang)
Bad Berka: Marie-Curie-Gymnasium (6. Jahrgang)

Worms:
•   Pfrimmtal Realschule Plus (2015 bis 2017, außer der Reihe)
•   Gauß-Gymnasium (außer der Reihe 2017)

__________________________________________________________________

Erzählte Geschichten aus der Bibel:

1. Jahrgang: Die Schöpfung, Arche Noah und die Sintflut, Abraham und Sara, Moses Geburt, Die Speisung der Fünftausend, Die Arbeiter im Weinberg, Tempelreinigung, Der zwölfjährige Jesus im Tempel, Hohelied der Liebe

2. Jahrgang: Kain und Abel, Josef und seine Brüder, David und Goliat, Psalm 8, Psalm 23, Psalm 103, Alles hat seine Zeit, Vision vom Friedensreich, Jeremias Berufung, Daniel in der Löwengrube, Jona, Das Vaterunser, Vom verlorenen Schaf, Die Segnung der Kinder, Das Abendmahl, Jesu Geburt, Vom verlorenen Sohn

3. Jahrgang: Samuels Berufung, Gottes Herrlichkeit in seiner Schöpfung und in seinem Gesetz, Gottes Lob im Himmel und auf Erden, Das große Halleluja, Die Berufung der ersten Jünger (Matthäus 4, 18-22; Markus 1, 16-20), Die Seligpreisungen, Der barmherzige Samariter, Zachäus, Die Fußwaschung, Das Pfingstwunder

4. Jahrgang: Jakob und Esau, Jakob schaut die Himmelsleiter, Auszug aus Ägypten, Das goldene Kalb, Bileam soll Israel verfluchen, aber er muss es segnen, David verschont Saul in der Höhle von En-Gedi, David und Batseba, Salomos Urteil, Die Weisen aus dem Morgenland, Jesu Einzug in Jerusalem, Die Heilung eines Gelähmten, Die Berufung der ersten Jünger, Die zehn Aussätzigen, Vom Pharisäer und Zöllner, Jesus und die Ehebrecherin

5. Jahrgang: Das Paradies, Der Sündenfall, Josefs Träume, Josef wird nach Ägypten verkauft, Josef in Potifars Haus, Die Zehn Gebote, Ester, Die Heilung eines Blinden bei Jericho, Jesu Auferstehung, Das neue Jerusalem

6. Jahrgang: Mose richtet die eherne Schlange auf, Rut zieht mit Noomi nach Bethlehem, Boas heiratet Rut, die Stammmutter Davids, Die Ankündigung der Geburt Jesu, Marias Besuch bei Elisabeth, Jesu Geburt, Die Auferweckung des Lazarus, Jesu Kreuzigung und Tod, Christi Himmelfahrt, Das Pfingswunder

________________________________________________________________

Projektleitung: Dr. Annette Seemann, Prof. Dr. Andrea Dreyer, Ulrike Greim, Dipl.-Ing. Sigrun Lüdde

Projektlaufzeit: 2011–2017; im Anschluss Verstetigung im Forscher- und Entdeckerraum der Weimarer Herderkirche